Morgens von Papageien begrüßt...

24.09.2014 23:55

Wenn man an einem Montagmorgen, an dem man sich übermüdet aus dem Bett quält, um sich auf den Weg zur Arbeit zu machen, von seiner Gastmama mit „Strammem Max“ zum Frühstück begrüßt wird und auf dem Weg zur Arbeit von einem Schwarm grüner Papageie begleitet wird, dann kann die Woche ja nur noch gut werden. So hat gestern meine neue Woche begonnen.

Was in letzter Zeit so passiert ist in Biolley, das möchte ich Euch jetzt auch noch gerne erzählen :)

Bisutería

Nachdem ich am Wochenende von meiner Gastmama und meiner Gasttante Guiselle gelernt hab‘, wie man Armbänder flechtet, ging es für mich gleich richtig los mit üben, üben, üben. An einem Mittwoch war meine Arbeit dann den ganzen Tag lang Armbänder zu flechten. Am Anfang waren meine einfach nur richtig hässlich, ehrlich gesagt, aber Übung macht ja bekanntlich den Meister. Mittlerweile sehen sie schon besser aus.

Finca-Führung

Abuela (Oma) hat mich an einem Samstag über die ganze Finca geführt. Ich wusste gar nicht, dass der Garten hinter dem Hühnerstall noch weitergeht! Das Grundstück ist einfach riesig und es gibt sehr viele Kaffeepflanzen, Bananen, Platanos (Kochbananen), Hühner, Kühe,… Oft wenn ich zur Arbeit gehe, gehen meine Gastmama und meine Gasttante Guiselle in den „Garten“ zum Kaffeepflücken und Abuela passt auf meinen kleinen Cousin Patrick auf (5 Jahre).

Kochen/ Essen

Ich darf hier oft beim Kochen helfen und versuche mir so viel wie möglich abzuschauen, um Daheim dann auch ein paar meiner lateinamerikanischen Lieblingsgerichte nachkochen zu können. Leider gibt es in Deutschland zwei meiner Lieblingsgerichte gar nicht: Platanos und Tiquisque! Ich muss mich mal erkundigen, ob man die irgendwo bekommen kann oder ob die vielleicht sogar in Deutschland wachsen können. Platanos sind riesige Bananen, die aber anders als Bananen als Gemüse gelten. Man kann sie in Öl anbraten (Platanos fritos) oder einer anbraten, danach mit einer Tortillapresse zerquetschen, mit Salz bestreuen und dann nochmal anbraten. Beide Varianten sind sehr lecker! Tiquisque ist ein Wurzelgemüse aus dem meine Abuela Kartoffelpuffer-ähnliche „Tortas“ macht. Auch sehr mhmmmm….

Wenn ich gerade über Wurzelgemüse (gibt es das Wort überhaupt?) spreche: Yuca hat unglaubliches Suchtpotential! Yuca- Tortas, Yuca mit Salz, Yuca in der Pfanne, Yuca in der Suppe,…. Ich MUSS einfach Yuca in Deutschland finden!

Mit Abuela habe ich auch Gallo Pinto gekocht (und natürlich fleißig mitgeschrieben ;) ). Anders als erwartet, schmeckt mir Reis mit Bohnen immer noch wie am ersten Tag. Morgens: Gallo Pinto, Müsli, Tuc-Kekse mit Guayaba-Marmelade,… Mittags: Reis mit Bohnen, manchmal Gemüse dazu und an besonders guten Tagen kleine Hühnchenschnitzel. Abends gibt es dann Suppe, Hühnchen, manchmal auch anderes Fleisch (aber es gibt lange nicht jeden Tag Fleisch. Vielleicht zweimal die Woche), Tortas, immer viel Gemüse,… selbstverständlich alles zusammen mit Reis und Bohnen. Und natürlich der leckere Kaffee und die Frescos! Einmal haben wir als Nachspeise Kabapulver und Milchpulver in einer Tasse gemischt und mit dem Löffel gegessen. Schmeckt jetzt nicht ecklig, aber es ist sehr süß und sehr gewöhnungsbedürftig.

Ansonsten haben wir noch Spinattortas (Spinat, Koriander, Salz und Ei vermischt und wie Kartoffelpuffer in der Pfanne gebraten), Tamal (Maisteig wie einen Pfannkuchen plattdrücken, mit pürierten Bohnen bestreichen, in ein Bananenblatt einwickeln und lange in heißem Wasser kochen) und verschiedenstes Gemüse gekocht. Einen Tag nach der Arbeit habe ich Abuela dabei geholfen Frijoles (Bohnen) aus dem Garten zu sortieren. Die Guten in die Schüssel, die Schlechten in den Müll. Ich hab mich ein bisschen gefühlt wie Aschenputtel, aber im positiven Sinne. Einfach mal eine Stunde Bohnen sortieren und über Gott und die Welt reden. Mittlerweile kann ich mich sogar schon relativ gut unterhalten. Die Leute reden alle langsam mit mir und die wichtigsten Wörter hab ich auch schon aufgeschnappt, langsam wird es also. Dabei ist aber auf jeden Fall LANGSAM zu betonen. Bei einem Gespräch zwischen zwei Ticos stehe ich immer noch sehr ratlos daneben und fühle mich als würden sie gerade Russisch miteinander sprechen.

An einem Sonntag hab ich dann für die Familie zum Frühstück Strammer Max gekocht, wofür meine Gastmama extra in der 3-Stunden-entfernten Stadt Schinken besorgt hat (Ja, wenn man keine Tiere im Garten hat, dann muss man für Fleisch 3 Stunden lang mit dem Bus fahren und sogar einmal noch umsteigen! Hab ich schon erwähnt, dass der Bus nur einmal am Tag in unserem Dorf losfährt: um 5 Uhr morgens!?). Da es Sonntag war und wir sowieso nichts zu tun hatten, hab‘ ich danach mit dem einzigen Ei, das noch übrig war Pfannkuchen gemacht. Allen hat das Essen gut geschmeckt (zumindest haben sie das gesagt ;) ) und Abuela meinte: „Heute frühstücken wir also in Deutschland.“

Müllabfuhr

Auf dem Land, also hier wo ich wohne zumindest, gibt es keine Müllabfuhr. Der ganze Müll wird entweder auf den Kompost geworfen oder im Grill verbrannt.

 

Arbeit

In der Arbeit gab es wieder mal viele interessante neue Sachen für mich zu erleben. So haben wir z.B. für Touristen gekocht, ich habe sämtliche Unterlagen im Büro sortiert und Register und Trennlaschen für (noch nicht vorhandene) Ordner beschriftet,… Diese Woche durfte ich sogar alleine die komplette Auswertung der Fragebögen des Bioprojekts des Landkreises machen und die Diagramme dazu erstellen und momentan arbeite ich an einer Broschüre gegen die Wilderei im Nationalpark. Meine Mittagspausen verbringe ich immer in ein interessantes Gespräch mit meinem Kollegen Hector vertieft oder selig in der Hängematte mit Ausblick in die Berge (wobei Biolley sowieso schon auf gut 1000 Metern über NN liegt). Wenn ich morgens meinem „2km-Lieblingsberg“ zur Arbeit bezwinge, hab ich manchmal das Glück von einem Kollegen auf dem Moped aufgegabelt zu werden. Wenn man die Wahl hat zwischen 30 Minuten „wandern“ und danach sofort arbeiten oder 5 Minuten Mopedfahren und danach 25 Minuten in der Hängematte schlafen, dann, glaube ich, ist jedem klar, dass ein Tag an dem ich Mopedfahren durfte gar kein Potential mehr hat ein schlechter Tag zu werden ;)

Geschockt war ich als mir eine Kollegin erzählt hat, dass hier auf dem Land der normale Stundenlohn gerade einmal 1,40€ ist. Das Leben ist aber nicht viel billiger als in Deutschland. Vor allem Essen ist manchmal sogar teurer.

 

Neben der Arbeit gebe ich mittlerweile auch Deutschunterricht. Meine Tante Giselle (nicht zu verwechseln mit meiner Tante Guiselle) möchte gerne Deutsch lernen und dafür treffen wir uns dreimal die Woche für je 2 Stunden in ihrem Haus. Der Unterricht macht mir sehr viel Spaß und die darauffolgenden Gespräche auch. Ich freue mich immer wieder sehr auf den Deutschunterricht und da wir Nachbarn sind, macht mir das kleine Stück alleine im Dunkeln dann auch nichts aus. Wie schon in einem früheren Eintrag erwähnt, braucht man sich hier sehr wenig Sorgen wegen Kriminalität zu machen.

Außerdem gebe ich seit einer Woche auch dreimal die Woche (Fr, Sa, So; da die Frau unter der Woche immer bis abends in der Arbeit ist) Englischunterricht. Damit sind dann auch meine „freien Tage“ zu „Wandertagen“ umgewandelt worden, da auch sie, anders als meine Familie, auf meinem „Lieblingsberg“ wohnt. Der Unterricht bei ihr macht mir auch sehr viel Spaß und überhaupt sind alle Leute superlieb! Hier muss ich mal wieder die Gastfreundschaft betonen. Am Samstag hat mich meine „Schülerin“ (Mutter von drei Kindern) zum Mittagessen nach dem Unterricht, der immer zwischen 3-5 Stunden dauert, eingeladen. Es gab Kalbsschnitzel, Reis mit Bohnen, Platanos und Salat. Lecker! Alles Fleisch wird hier mit den Händen gegessen. Stellt Euch das mal in Deutschland vor, wenn alle am Tisch sitzen und ihre Schnitzel mit der Hand essen ;) Mir gefällt die lockere Art hier auf jeden Fall sehr gut!

(Mein Kollege hat selber ein Verlängerungskabel gebaut/ ACHTUNG: NICHT Zuhause nachmachen! Das ist gefährlich!)

 

Stromausfälle und manchmal kein Internet

Auch das sind Sachen, an die man sich in Costa Rica, zumindest auf dem Land, gewöhnen muss. Diese Woche hatten wir an einem Tag vier Stunden lang keinen Strom. Und das ausgerechnet am Abend! Wo es doch so viele Gründe gibt, warum wir da unbedingt Strom brauchen, z.B. zum Kochen, für Licht (hier ist es ab halb 6 stockdunkel), um die Lieblingstelenovela der Familie zu sehen,… Mein Handy ist hier auch gleichzeitig mein Wecker. Blöd nur, dass der Akku auf 4% war und der Strom nicht mehr funktionierte… Nach einem schönen Abend an dem wir im Dunkeln im Wohnzimmer saßen und einfach geratscht haben, wollte ich endlich ins Bett, aber wusste nicht wie ich am nächsten Morgen zur Arbeit aufwachen sollte. Ich hab mich dann dazu entschlossen, mein Licht im Zimmer auf „an“ zu stellen und schlafen zu gehen. Als dann um 23h der Strom wieder ging, ist mein Licht angegangen, ich bin aufgewacht und konnte mein Handy anstecken, wieder einschalten und den Wecker stellen. Problem gelöst! :) Auch das Internet ist hier nicht mein bester Freund leider. An PC funktioniert es nur sehr selten und es ist sehr umständlich jedes Mal die Internet/Sim-Karte aus meinem Handy in den Internetstick zu tun und erstmal Signal zu suchen. Außerdem kann das Signal innerhalb weniger Sekunden von gut auf keine Verbindung umschlagen. Auf dem Handy funktioniert es da schon wesentlich besser, aber auch hier muss man sich auf mindestens 2-3mal am Tag einstellen, an denen man einfach nicht ins Internet kommt. Dann ist es am besten sich nicht aufzuregen und einfach etwas anderes zu machen. Man kann es ja in einer Stunde oder so nochmal versuchen ;)

 

Reis-von-Schale-befrei-Maschine

An einem Nachmittag bin ich mit Onkel Ricardo, Tante Guiselle und Patrick auf einen Bauernhof gefahren, auf dem es eine Maschine gab, in der man den Reis nach dem Dreschen von der Schale befreien konnte. Da Ricardo sehr viel Reis geerntet hatte, hab ich mich nach einigen Minuten von der Maschine abgewendet und den Bauernhof erkundet. Dort gab es Schweine, eine Kuh und BABYHUNDE! Keine ganz kleinen Babys, aber noch klein und frech. Mit denen hab ich dann die meiste Zeit dort gespielt.

Chelsea

Überhaupt bin ich hier ein totaler Hundefreund geworden. Einen Hund zu haben, ist in Costa Rica auch wesentlich unkomplizierter als in Deutschland, finde ich. Chelsea, unser Hund, ist eine super Freundin. Wenn ich sie in der Hundehütte besuchen gehe, dann läuft sie mir meistens schon entgegen und möchte gestreichelt werden und auch sonst, wenn ich im Garten bin und Chelsea rufe, kommt sie sofort angelaufen. Nach der Arbeit führt mich jeden Tag der erste Weg zu Chelsea bevor ich überhaupt meine Schuhe ausziehe. Ich glaub, ich brauche auch mal einen Hund :)

 

Kuh melken

Mit meiner Tante Giselle (die auch die Mentorin ist und nicht mit Ricardo, sondern mit Rigo verheiratet/ Man beachte das u, bzw. das fehlende u) bin ich zu ihrer Kuh Luna gegangen, um diese zu melken. Ich muss zu meiner Schande gestehen, dass das gar nicht so einfach ist und ich deshalb auch kläglich gescheitert bin. Abuela und Giselle hatten innerhalb von wenigen Minuten den ganzen Eimer voll und als ich es versucht habe, kamen bei mir in derselben Zeit vielleicht drei Tropfen Milch. Aber nicht verzagen. Die frische Milch jeden Tag schmeckt richtig lecker und ich habe ja schließlich noch 10,5 Monate Zeit zum Üben.

Visumsbürokratie

Die Bürokratie wird uns wahrscheinlich während des ganzen Jahres nicht wirklich in Ruhe lassen. Wir haben die Information bekommen, dass leider keiner genau weiß, ob wir innerhalb von 10 Tagen in San José Fingerabdrücke abgeben müssen oder nicht. Ungünstig war, dass bei Ankunft der Information schon drei Tage vorbei waren. Wir bekamen gesagt, wir müssen uns wegen des Feiertages noch bis Dienstag gedulden. Am Dienstag würden wir dann erfahren, ob wir, bzw. in meinem Fall eben ich am MITTWOCH nach San José fahren muss. Berücksichtigt man, dass ich Mittwoch um 5 Uhr morgens losfahren müsste, vorher noch irgendwie in die 3-Stunden-entfernte Stadt fahren müsste, um ein Fernreisebusticket zu kaufen, mich um eine Übernachtungsmöglichkeit kümmern müsste und mir für mindestens drei Tage freinehmen müsste, dann ist Dienstag doch ein bisschen knapp bemessen. Ich hatte sehr viel Glück, denn der Mensch in der Migración hat mir am Dienstagmorgen, als ich ihn telefonisch erreichen konnte, gesagt, dass ich nicht kommen muss und die Fingerabdrücke wahrscheinlich sogar mit dem zweiten Teil des Seminars von Brot zusammenfallen. Nur einmal die 9-Stunden-Reise! Ich war sehr glücklich!

 

Kirche

Einmal im Monat kommt ein Pfarrer aus einer anderen Gemeinde und hält eine katholische Messe. Die Kirche hier ist sehr anders als in Deutschland. Das Gebäude besteht aus Metall und Holz. Der Pfarrer zieht sein Messgewand einfach am Altar an, eine Sakristei gibt es nicht. Ministranten auch nicht, da sich im Dorf niemand dazu bereit erklärt hat. Hostien gibt es aus der Tupperdose, Wein aus einer Miniteekanne und es sind überall Hunde in der Kirche, die Bellen, Spielen, Raufen,… Und zum Friedensgruß küssen sich Familienmitglieder auf die Wange und umarmen sich und nicht-Familienmitgliedern klopft man leicht auf die Schulter. Beim Vater unser nehmen sich einige Leute an den Händen, andere halten ihre Hände wie eine offene Geste vorm Körper, ähnlich dem Pfarrer. Momentan lerne ich das Vater unser auf Spanisch auswendig, damit ich nicht ganz so verloren bin ohne Gebets- und Gesangbuch, das es hier nicht gibt. Außerdem ist momentan die ganze Kirche momentan mit Fahnen und ähnlichem geschmückt. Das ist wegen dem „Mes de la Patria“ (Monat des Vaterlandes).

Der Kirchenbesuch hier ist auf jeden Fall ein Erlebnis.

Am letzten Samstag war auch eine Band in der Kirche die bis 23Uhr dort gespielt hat. Es wurde Essen und Trinken verkauft, gesungen, getanzt und fast das ganze Dorf war da. Una grande fiesta!

 

Dia de la Independencia

Am Montag, 15.September, war der Unabhängigkeitstag von Costa Rica. Am Vorabend war in unserem Dorf traditionsgemäß eine Fiesta de los faroles (Laternenumzug), der symbolisieren soll wie die Menschen in Costa Rica nach der Erlangung der Unabhängigkeit in der Nacht mit Laternen von Haus zu Haus gegangen sind und die Unabhängigkeit verkündet haben. Am Montagmorgen um 6 Uhr bin ich mit meiner Gastmutter mit dem Bus in den Ort „El Carmen“ gefahren, wo die Desfile (Parade) war. Nach vielen Reden gab es eine Parade, in der die verschiedenen Schulen des Landkreises Tänze und Musikstücke aufführten, Fahnen trugen, sangen und ihre Schuluniformen oder traditionelle Kleidung präsentiert haben. Die Busfahrt wieder nach Hause (genauso wie auch die Busfahrt nach El Carmen) war sehr interessant. Wir sind mit einem ausgemusterten Schulbus aus den USA unterwegs gewesen auf einer Erdstraße. Da kann man sich ja schon vorstellen wie das so abläuft. Manchmal sind die Reifen durchgedreht, manchmal sind wir den Berg nicht raufgekommen (dann hieß es rückwärts wieder runter und mit mehr Anlauf nochmal probieren), Brücken waren immer eine Herausforderung,… überhaupt hat der ganze Bus permanent gewackelt. Ich hab mich sehr an das Fahrgefühl im Done erinnert gefühlt :) Das Busfahren ist aber nichts, wegen dem man sich Sorgen machen müsste. Die Schüler fahren hier jeden Tag und denen passiert ja auch nichts. Der Tag war auf jeden Fall sehr gelungen und ich bin froh, an diesem Fest teilgenommen haben zu können.

PS: Abuela ist übrigens nicht der Name der Oma. Sie heißt Elisabeth. Abuela bedeutet auf Spanisch einfach Oma.